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THEATER KOPFLOS


Ewald Schreiber
Liebhartsgasse 43/2/20
1160 Wien
Tel. 01/310 78 09



Theater kopflos, was ist das?

Gegründet 1995 auf den Trümmern einer nur noch auf dem Papier bestehenden Theatergruppe des Wiener Studentenheimes Haus Döbling, dessen langjähriger Insasse E.S. die Neugründung initiierte. Dieser wollte ein Theaterstück auf die Bühne bringen, das ein Befreiungsritual gegen seinen von Fernsehnachrichtenbildern vollgepickten Kopf sein sollte. Er wählte Friedrich Dürrenmatts wenig gespieltes Stück "Porträt eines Planeten" aus, das selbst nach einer Art Fernsehnachrichtendramaturgie aufgebaut ist, allerdings diese ins Kosmisch-Apokalyptische steigert. Die Suche nach hoffnungsvollen Jungschauspielern gestaltete sich zuerst schwierig bis hoffnungslos, doch schließlich fanden sich genügend Leute - verbummelte und eifrige Studenten und Innen, Schüler und Menschen, die schon "richtig im Arbeits-Leben standen" - mit denen auf die erste Aufführung hin gearbeitet wurde, mit einfachsten Mitteln, mit fast keinem Geld.

Die Reaktionen des Publikums (ca. 200 Besucher in vier Vorstellungen) waren nicht vernichtend genug - manche sagen sogar: sehr positiv, um die Neo-Theatermacher davon abzuhalten, ein zweites Projekt zu beginnen, Eugène Ionescos absurden Klassiker "Die Nashörner", in dem die Regisseure eine Parabel über unverstandene individuelle und gesellschaftliche Transformationen aller Art sahen. Im Dezember 1996 fanden die fünf Vorstellungen im selben Rahmen - eine Art Kellertheaterbühne im kleinen Vorraum einer ehemaligen MENSA und jetztigen Sporthalle (der Lokus ist symbolträchtig) statt. In der Inszenierung wurden die Figuren in eine künstliche Schwarz-weiß-Film-Kulisse gestellt, die "Nashörner", in die sich nach und nach alle Figuren verwandeltn, angedeutet durch Schatten an den weißen Bühnenwänden.

Danach verließen die Kopflosen das Heim und übersiedelten - nicht weit davon entfernt - ins TÜWI, ein kulturelles Veranstaltungslokal der Universität für Bodenkultur in Wien. Dem neuen Standort der Bühne angemessen, wurde jetzt ein Blut-und-Boden-Stück gespielt - "Heimatstöhnen" vom Linzer Autor Harald Kislinger -, jedoch eines der etwas anderen Art, das in Form der Farce vom vergeblichen Ausbruchsversuch eines Bauernbuben erzählt, in den großen Städten die Freiheit zu finden und am Ende wieder aufs Land, zum Vater zurückkehrt, der inzwischen in ein gar sonderbares Sterberitual vertieft ist, dem der Sohn sich schließlich anschließt. Ein Maler, Matthias, wurde gefunden, der ein wunderbares Bühnenbild schuf, vor dem auf einer Art Simultanbühne - die Bühne wurde gedrittelt, sodaß alle drei Schauplätze gleichzeitig zu sehen waren - die gar lustige Tragödie der Heimatsuche im Zeitalter des "global village" stattfinden konnte - im Juni 1998.

Derzeit wird am nächsten Coup gearbeitet, allerdings in der Unsicherheit, nicht zu wissen, wo er stattfinden soll, wann, mit wem und mit wessem Geld. Auf jeden Fall: das Stück existiert bereits, es heißt "Das Leben ein Film oder Anarchie mit pornographischen Tendenzen oder Pornographie mit anarchistischen Tendenzen", geschrieben vom jungen oberösterreichischen Autor Siegfried Müller, worin drei Ruderer in einem Ruderboot einen Film drehen, während drei Tänzerinnen im Fernsehen locken, eine tiefe Stimme aus dem Off mahnt, der Schiedsrichter-Regisseur Anweisungen erteilt und ein Narr zwischen diesen verschiedenen Welten (Zerrbilder, die unsere (verzweifelte) Suche nach Wirklichkeit im Spiegelkabinett der medialen Darstellungen widerspiegeln?) hin und her hastet im Bemühen, als hoffnungslos überforderter Moderator dem Publikum das Geschehen verständlich zu machen, bis schließlich alle außer dem Narren im Fernsehkastl landen, endlich vereint in der schönen neuen Welt ...
WER SICH DAFÜR INTERESSIERT: BITTE, BITTE MELDEN!!


Warum Theater, warum kopflos?

Warum Theater? Das ist eine unbeantwortbare Frage. Lassen wir es dabei: es ist ein Drang, ein Zwang, eine Liebe, unsinnig und schön und anstrengend und notwendig und überhaupt.

Warum kopflos?

kopflos die erste: Es gibt eine Fotografie, auf der sind unter freiem Himmel die heroischen Statuen zweier Männer abgebildet: Marx und Engels. Allerdings fehlen ihnen die Köpfe. Die sind vermutlich abtransportiert worden zur Reinigung. Vermutlich haben ihnen zu viele auf die edlen Häupter geschissen. Zudem sind die übriggebliebenen Torsi mit Seilen verschnürt, als wären die beiden versteinerten Männer, die großes vorhatten mit der Welt, nicht nur enthauptet worden, sondern zu allem Überfluß - Mehrwert der Folter - auch noch gefesselt worden. Das Ganze - das Bild wurde in der DDR aufgenommen, die Statuen sind inzwischen verschwunden, vielleicht von einem exzentrischen Milliardär gekauft oder in einem verstaubten Museum - eine Allegorie für den Zustand der Utopie, die eine bewohnbare Welt erträumte. Dieser Utopie, der man den Kopf abgeschlagen hat, fühlen wir uns verpflichtet.

kopflos die zweite: Zeit der französischen Revolution: Ein Mann bildet sich ein, den falschen Kopf auf dem Hals zu haben. Er sei nämlich schon geköpft worden, und die Richter hätten aus Reue über ihre Urteile angeordnet, die abgeschlagenen Köpfe zu nehmen und sie den Kopflosen wieder aufzusetzen. Dabei habe er, ein Pariser Uhrmacher, den falschen Kopf erhalten. Nun eilt der Irre zu jeder Hinrichtung und sucht im Korb unter der Guillotine nach seinem Kopf. Enttäuscht läuft er jedes Mal davon, seinen Kopf nicht gefunden habend und wartet auf die nächste Gelegenheit. Wir warten mit ihm.

kopflos die dritte: theater kopflos kämpft mit minimalen Mitteln und minimalistischen theatralischen Lösungen mit der und gegen die (soziale(n)) Wirklichkeit und rennt solange gegen diese an, bis er fällt, der Kopf ... Bis dahin die Suche nach Bildern und Gegenbildern, Wunsch-, Traum-, Alptraum-, Angst-, Haß- und Sehnsuchtsbildern dieser Welt; immer mit dem Vorurteil, daß es so wie es ist nicht sein und bleiben kann und daß es so wie es sein soll nie sein kann.
Die ZuschauerInnen nehmen auf ihren Stühlen Platz, um zu sehen und zu hören und vielleicht zu denken und zu spüren. Die auf der Bühne haben die Wahl zwischen verschiedenen Stühlen und entscheiden sich immer dafür, zwischen den Stühlen platzzunehmen: also fallen sie auf den Hintern oder schlagen sich beim Fallen die Nase blutig. Im besten Fall lachen dann die Zuschauer ...

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Friedrich Dürrenmatts "Porträt eines Planeten"
Eugène Ionescos "Die Nashörner"
Harald Kislingers "Heimatstöhnen" (TÜWI,Juni´98)


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updated: 01.12.1998 by Nottl
 
 
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