gesetze

_>


 | konzession  | veranstaltungen

ig kultur wien

_>


 | handbuch  | vergnügungssteuer

kultur

_>


 | förderungen  | veranstaltungen

medien

_>


 | medienkonferenz 1999

pressemeldungen

_>


 | gesellschaft  | politik

soziales

_>


 | pflegeeltern

vereinswesen

_>


free4u


 | anmeldung für eine eigene seite bei action.at

search


 | suche auf action.at

 

Weltkultur ist Westkultur



Horst Watzl


Ausgrenzung

Die ökonomische Dynamik des share-holder value der westlichen Industrienationen geht auf Kosten und zu Lasten der Menschen im Süden. Erst jüngst erregte der Tod von zwei 14jährigen Jungen aus Guinea europaweit für Aufsehen, die in einem Abschiedsbrief die europäische Verantwortung für den südlichen Kontinent einmahnen. Unbemerkt schlichen sie sich in den Frachtraum einer Passaschiermaschine um dem Alltag ohne Zukunft und Perspektive zu entkommen. Sofort anlaufende westliche Katastrophen-Hilfslieferungen und sog. Entwicklungshilfe und -zusammenarbeitsprojekte sind Ausdruck dieser einseitigen Wirtschaftslogik und stablisieren bestehende Herrschaftsverhältnisse. Diktiert werden nach wie vor Preise von Rohstoffen, Handelsklauseln, Anbau- und Abbaugebiete und Schuldentilgungsraten.

Die wirtschaftliche Dominanz geht einher mit der politischen und kulturellen.

Zwar gibt sich der Westen kulturbeflissen (sog. Kulturnationen), doch wenn es um die Wahrung der Rechte und Traditionen von Minderheiten nd MigrantInnen im eigenen Lande geht, dann stößt die kulturelle Akzeptanz bald an Grenzen. Nahezu ignoriert werden außereuropäische Kunst- und Kulturformen. Meist wird von Kulturveranstaltern eine exotisierende Zufalls- oder Feigenblattfunktion wahrgenommen. Dann sorgen die Trommler afrikanischer "Stämme" für Stimmung bei den streßgeplagten Zivilisationsgeschädigten. Dann tanzen im Fasching plötzlich wieder alle Samba und die Mädchen dienen als sexistischer Aufputz für mediale Zurschaustellungen bei Fußball-Meisterschaftsfeiern.

Eine kontinuierliche künstlerische Auseinandersetzung und Schwerpunktsetzung geschieht in den seltensten Fällen.

Daneben dienen die ästhetischen Artikulationen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas für Aufputz ethnologischer Schausammlungen. Sporadisch stattfindende "Weltfeste" oder Konzerttourneen bereits etablierter, meist in der Emigration in Paris oder London lebender MusikerInnen und Kunstschaffender, sind schließlich der Beweis, daß eine ernsthafte Wahrnehmung des kulturellen Schaffens in den Ländern des Südens noch immer vom neokolonialen Blick auf das angeblich Fremde und deren RepräsentantInnen überlagert sind.


Die Feigen-Blätter

Wo sind die kulturellen Impulse, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunftsländer fördern? Punktuelle Hallamasch-Feigenblätter und völkerverbindenden Feste machen bekanntlich noch keinen Sommer. Welche Kulturinitiativen stellen die Gleichwertigkeit kultureller Äußerungen in den Mittelpunkt ihrer Programmatik? In Österreich ist kein Kulturveranstalter in Sicht, der dezidiert kulturelle und künstlerische Begegnungen mit außereuropäischer Kunst und Kultur zum Programm erhebt. Im übrigen ist die karge Medienlandschaft dieses kleinen mitteleuropäischen Landes in ihrer Meinungseinfalt hinsichtlich der Wahrnehmung kultureller Äußerungen aus dem Süden, auf beiden Augen blind sind. Gespielt wird der industrielle Mainstream; Abweichungen beschränken sich auf Minderheitenprogramme. Jüngstes Beispiel sind die medialen Gleichschaltungen bei diversen Drogenrazzien und Lauschangriffen. Wie kann angesichts eines derart unappetitlichen Trommelfeuers eine kulturpolitisch seriöse Berichterstattung über Orchestermusik in Uganda oder das größte Filmfestival Afrikas, Fespaco, in Ougadougou, Platz finden? Zudem fristet MigrantInnenkultur ein unentdecktes mediales Schattendasein.

Was wunder also, wenn Frau und Herr Österreicher der volksdümmlichen Hitparade, dem ahnungslosen Einheitbrei von Ö3 und somit den Rattenfängern mit dem Kinderscheck hinterherlaufen. Gefragt sind deshalb Veranstalter mit Mut, Eigenverantwortung und Zivilcourage. Gefragt sind mehr Kulturjournalisten mit Weitsicht und Offenheit für andere Kulturen. Gefragt ist kulturpolitischer Gestaltungswille, der globale Verantwortung ernst nimmt.

Kultureller Pluralismus

Kultureller Pluralismus ist ein Faktum, im Norden, wie im Süden. Viel wurde und wird über durch Migrationen entstehende neue kulturelle Identitäten nachgedacht. Zweite und Dritte Generationen, im Westen aufgewachsen, und zumindest mit zwei Kulturen vertraut, beeinflussen künstlerische Entwicklungen. Austauschprogramme überwinden Grenzen im Kopf spielerisch. Kunst und Kultur sind dann Ausdruck zunehmender Auflösung von eindeutigen ethnischen Zuschreibungen. Kulturschaffende sind die Vorreiter einer weltumspannenden Globalkultur, die Traditionen nicht festschreibt sondern sie weiterentwickelt und in zeitgemäßer Form zur Diskussion stellt. "Wir sollten die Tradition respektieren aber wir sollten auch die Tatsache respektieren, daß wir mit ihr brechen können. Und indem man mit ihr bricht, wird man unvermeidlich wieder auf sie zurückgeworfen." (Aki Nawaz)

Demgegenüber steht die "Kultur des Reisepasses", die nationale und religiöse Blockaden dort errichtet, wo fremde Einflüsse der eigenen orm einen Spiegel vorhalten.

Neubestimmung des Kulturbegriffs

"Der Glaube an den Fortschritt, der dem Begriff "modern" sein normatives Gewicht verlieh, ist heute verschwunden. Das Ende dieses Glaubens fällt mit dem Ende der Ideologien und dessen zusammen, was man "Große Erzählungen" genannt hat. An deren Stelle ist eine gleichsam "explosionsartige Behauptung des Pluralismus" getreten. Die Geschichte und die Wirklichkeit haben ihre maßgebliche Bedeutung eingebüßt und haben einer intensiven Medialisierung unseres sozialen Lebens Platz gemacht. Das geschwächte Wirklichkeitsprinzip ist jedoch gleichsam ästhetisch aufgefrischt worden. So beobachtet man zwar einerseits eine weltweite Gleichschaltung von Weltanschauungen und Waren, andererseits aber gerade eine Vermehrung von Stilformen im ästhetischen Sinn und im Sinn von Lebensstil.
Solche Entwicklungen machen auch eine Neubestimmung des Kulturbegriffs notwendig. Die meisten Wissenschaftler verschiedenster Couleur äußern sich heute mit Zurückhaltung und Skepsis gegenüber den Möglichkeiten, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. (Hans Jürgen Heinrichs, Sinnlichkeit, Erkenntnis und Technologie - Über die Möglichkeiten, mit Hilfe der Kunst und Ethnologie Globalisierungsprozesse neu zu sehen, zit. aus kursiv 1/98)

Gerade kommt ein email von einem Kunstprojekt aus Istanbul. Gefragt sind vielfältige Initiativen aus den Reihen der Kunst und Kultur, die das Leben im erschütterten Land erträglicher machen. Wie können Kulturinitiativen längerfristig auf derartige Situationen reagieren? Wie können die Netzwerke konkrete längerfristige kultur- und kunstpolitische Interventionen koordinieren? Weltweite Information und Kooperation im Kunstbereich ist zwar durch Internet und email an der Tagesordnung, doch die Tatsache, dass sich lediglich 0,1 % der weltweiten Anschlüssen in Afrika befinden, läßt Zweifel an der Zugänglichkeit der Neuen Medien aufkommen und relativiert die Dimension der elektronischen Revolution. Über die weltweite Film- und Musikproduktion läßt sich ähnliches feststellen. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in der Kulturproduktion in den letzten Jahren weiter geöffnet.

Der Kulturbegriff des nächsten Jahrtausends muß ein weltumspannender und solidarischer sein.

Nischen in der Fülle

Die Kulturlandschaften Europas und Österreichs sind gekennzeichnet durch zunehmende Festivalisierung und Eventisierung. Keine Kleinstadt, die nicht ihr eigenes Musikfestival und/oder Ausstellungsprojekt realisiert, um sich in Szene zu setzen. Damit verbunden - wachsende Konkurrenz um ein Publikum, das durch Erlebniswelten und Kulturwelten optimal "entertained" werden will. Wie kann Kunst und Kultur aus Afrika, Asien und Lateinamerika in diesem Betriebssystem einen gleichbereichtigten Stellenwert erlangen? Einzelne Trends, wie der derzeitige kubanische Musik-Boom, vermögen die Tatsache der bestehenden Ethnisierung und Marginalisierung von Südkunst nicht auszugleichen. In diesem kulturellen Umfeld mit integrativer Kulturarbeit einen seriösen Standplatz zu sichern und gezielt an diesem Betriebssystem zu partizipieren kann ein Beitrag zur Neudefinition des Kulturbegriffes sein. Jedenfalls gilt es die Nische im Rahmen der Möglichkeiten optimal zu füllen, manchmal die Fühler auszustrecken und herrschende Gewohnheiten in Frage zu stellen.

updated: 18.12.1999 by Ulli
 
 
artists communication theory information organizations network
==== ©reated '98-'01 by a.c.t.i.o.n. ====