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...aus sicht der "presse"...
Hans Haider
"Die Presse"-online, 27.03.2001
Peter Marboe will ÖVP-Kulturstadtrat bleiben. Startet Josef Cap aus seiner "Kulturwerkstatt"?
In Wien hat Peter Marboe, Spitzenkandidat der ÖVP hinter Bernhard Görg, vor den Wahlen Bereitschaft bekundet, unter neuen Mehrheitsverhältnissen sein Amt als Kulturstadtrat zu behalten. Seine Chancen schwinden - obwohl Bürgermeister Häupl "das für keine doofe Idee" hält. Eine Analyse.
VON HANS HAIDER
Der Wahlsieger Häupl verlockte am Montag: Die Idee, "etwa mit Peter Marboe oder Christoph Chorherr eine Regierung zu bilden", sei "gar nicht doof". Doch selbst wenn ihm der Posten wirklich angeboten würde, müßte Marboe, Listenzweiter nach Bernhard Görg, skeptisch sein: Fände er noch eine politische Basis für ein Regiment, das für jede einzelne Budgetpost einen Gemeinderatsbeschluß braucht?
In der ÖVP wurden schon Marboes wiederholte Hinweise, in einer eventuellen rot-grünen Koalition als Kulturstadtrat gastieren zu können (wollen), als Anbiederung, ja Verrat abqualifiziert. Bei den Vorzugsstimmen rangierte Marboe in der ÖVP nur auf Rang 3.
In einem Interview am Montag mit Radio FM4 hat Marboe aber seine Hoffnung nicht aufgegeben. Doch "nicht um jeden Preis" werde er einem etwaigen Ruf Folge leisten, sagte er, die Sozialdemokraten müßten schon
zeigen, daß sie das auch schätzen, was in seiner Amtsperiode erreicht wurde. Er habe Häupl so verstanden, daß dieser "nicht Personen, sondern Parteien" zu Gesprächen laden wolle. Parteichef Görg, betonte Marboe,
habe eine Teilnahme an der Stadtregierung nur "für seine Person" ausgeschlossen; er, Marboe, sei "immer offen für faire Diskussionen" gewesen.
Wien soll "offene Stadt" bleiben: Rund 60 namhafte Mitspieler im Kunst- und Kulturbetrieb, freie Künstler wie subventionsabhängige Kulturvermittler, ließen in der Intensivphase des Wiener Wahlkampfs diesen Wunsch annoncieren als Testimonial für den seit 1996 amtierenden Kulturstadtrat Peter Marboe (ÖVP).
Ihr Listen-Erster Raimund Abraham hat mit Wien nichts am Hut: Er lebt und arbeitet als Architekt in New York, bekam von Marboe, als der das dortige Kulturinstitut leitete, den Auftrag für einen Neubau - und war
dann über die Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung so erbost, daß er sofort seine österreichische Staatsbürgerschaft zurückzulegen ankündigte.
Wer könnte Marboe nachfolgen? Josef Cap, SP-Kultursprecher im Parlament, sandte Signale aus, ins Wiener Kulturamt überwechseln zu wollen. Als Chef der "Kultur- und Zukunftswerkstätte" der SPÖ in der Wiener Alten Schmiede bewahrte Cap eine breite Gesprächsbasis in Richtung anderer Parteien, Kirchen, ethnischer Gruppen - und gilt nun als chancenreichster Kandidat.
Nicht Woller, Pasterk
Jeder Stadtrat nach Marboe kann sich leicht wieder bei der Kulturklientel beliebt machen: denn wer Geld, wer Ehre sucht, wird das Kulturamt nicht meiden, nur weil dort nicht mehr der anerkannt offene, bis auf die Freiheitlichen in jede Richtung hin gesprächsbereite Peter Marboe sitzt. Häupl muß nicht auf Ernst Woller zurückgreifen, der die SP-Fraktion im Kulturausschuß des Gemeinderats anführt und urban so wenig auffällt wie der bisherige VP-Kultursprecher im Gemeinderat, Andreas Salcher. Marboe sicherte Woller den Einfluß auf das Rabenhof-Theater; dort fände der SP-Kulturkaiser hinreichend Betätigung, ätzen sogar Parteifreunde.
Ursula Pasterk darf sich keine Hoffnungen machen, noch einmal an die Macht zurückzukehren: Häupl kann nicht vergessen, daß seine schmerzhafte Wahlniederlage von 1996 auch die Wähler-Antwort war auf Pasterks politisch einäugiges Amtswalten im "Ideologieressort" Kultur; zudem sind bis heute die finanziellen Umstände nicht öffentlich aufgeklärt, unter denen Pasterk als Festwochen-Intendantin Abschied nahm.
Der aus dem Personalstand des Naturhistorischen Museums in die Politik aufgestiegene Biologe Häupl zeigte bisher kaum Lust, den hübschen Anmaßungen der Kunstszene warmherzigen Tribut zu zollen. Realist durch und durch, mißtraut er allen bei der Wiener Wahl 1996 und nach der Regierungsbildung 2000 leer ausgegangenen Programmatikern, die die SPÖ als "Kulturpartei" auszuschildern versuchten - darunter auch Rudolf Scholten, der zwar seinen Vorstandsvertrag in der Kontrollbank voraussichtlich verlängert bekommt, doch seinen Abschied aus der Kulturpolitik nie verschmerzte und gewiß wieder ansprechbar wäre.
Wen wünscht Dichand?
Angesehene, weitherzige Kunstfreunde, die so solide Figur machen können wie der bald 59jährige Kulturdiplomat Marboe, fände die SPÖ in dieser Altersstufe genügend - ob den scheidenden Wiener-Städtische-General Siegfried Sellitsch (er wollte ehrenamtlicher Festwochen-Präsident werden, wurde aber von Marboe abgelehnt), ob Trautl Brandstaller oder die ehemaligen Kreisky-Sekretäre Alfred Reiter, Johannes Kunz. André Heller wird neuerdings genannt, wie schon in Vranitzky-Tagen. Unter jungen Kulturmanagern dürfte der Chef der kommunalen Kunsthalle, Gerald Matt, Häupl gefallen; der Vorarlberger ließ ein SPÖ-Testimonial-Inserat schalten, will sich aber vorerst im neuen Museumsquartier bewähren.
Dem ehemaligen Vranitzky-Sekretär Andreas Mailath-Pokorny, als Kunstsektionschef im Bundeskanzleramt bald vor der Ablöse, wird wohl ein Wiener Interesse nachgesagt - aber zu wenig Fingerspitzengefühl im
Umgang mit Beamten.
Ihr traditionelles Personalreservoir in der Erwachsenenbildung ließ die SPÖ so verkommen wie der ÖGB seinen Bildungssektor. Mediengenossen aus dem ORF und den Hochglanz-Magazinen dürften sich falsche Hoffnungen machen, denn ein Name, dem man zutrauen kann, daß er neue Wiener Strahlkraft im Konkurrenzkampf mit Berlin, Prag, München entgegensetzen könnte, ist auch dort nicht in Sicht.
Mit einiger Gewißheit wird Häupl auf Wünsche, Bedürfnisse des Kronen- und U-Bahn-Zeitungsverlegers Hans Dichand eingehen müssen (den Marboe mit seinem Bestemm auf die Schlingensief-Aktion vor der Staatsoper
vergraulte). Der 80jährige Dichand muß über die Zukunft seiner eigenen Kunstsammlung disponieren - und könnte das im Zusammenwirken mit der Stadt Wien. Zu den anstehenden Personalentscheidungen im Kulturressort zählt die Neubestellung eines Direktors der Museen der Stadt Wien (nach Günter Düriegl).
Wird die Kultur teurer?
Jedem neuen Kulturzuständigen kann die SPÖ mit Budgeterhöhungen Erfolge sichern - ohne daß er so heikle Einsparungspotentiale wie die Vereinigten Musical-Bühnen oder die Wiener Festwochen anrühren müßte.
Die Neubesetzung des Theaters der Jugend und der Josefstadt stehen an. Daß mit Marboes Abgang die zügige Renovierung der Wiener Großkirchen ins Stocken kommt, ist nicht zu befürchten: Sie wurde schon von Bürgermeister Zilk ("Jetzt haben wir die Theater renoviert, nun kommen die Kirchen dran") versprochen und ist auch zwischen Michael Häupl und Erzbischof Schönborn einvernehmlich vorbereitet.
Wird Marboe ins Außenamt zurückkehren, wo die Amtszeit seiner Nachfolgerin als Kultursektionsleiter, Monika Kalista, im Auslaufen ist? Am Ballhausplatz rechnen Marboes engste Kollegen nicht damit.
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updated: 27.03.2001 by werner
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