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Ein Statement zum Thema Kulturpolitik in Wien & unseren Umgang damit
Warren Rosenzweig - Jüdisches Theater Austria
office@jta.at www.jta.at
Einige Schlüsselwörter zum Thema unabhängiges Theater sind "Vielfalt", "Freiheit", "Kreativität", "Kooperation" und "Gemeinschaft".
Wir Theaterschaffenden sind ein unterschiedlicher Haufen mit verschiedensten Kenntnissen, Ideen und Ursprüngen. Wir reflektieren und sprechen die Vielfalt in der Welt, in der wir leben und in dem Publikum, mit dem wir unsere Arbeit teilen, an.
Ich weiß nicht, was man in Wien unter dem Begriff "freies Theater" verstehen soll, aber es ist offensichtlich eine Fehlbezeichnung. Eine negative Definition wie "Theatergruppe ohne Bühne" mag vielleicht etwas darüber aussagen, was es nicht ist, sagt aber nicht, was es ist und gibt keine Erklärung dafür, was daran "frei" sein soll. Auf English heißt "free theater" nur, dass man für seine Karte nicht zu zahlen braucht. Vielleicht ist die Bezeichnung "freies Theater" nur ein Etikett für ein kulturpolitisches Phänomen, in diesem Fall - alles klar - ist es "Doublethink" und sonst nichts ("ABHÄNGIGKEIT MACHT FREI"). Aber immer wenn ich die Selbstbeschreibung "wir sind eine freie Gruppe" höre, empfinde ich ein unangenehmes Gefühl. Ich bin nicht sicher, ob ich das Angebot an einer Verleugnungs-Verschwörung teilzunehmen, ablehnen oder ob ich es aus Mitgefühl für das Wunschdenken eines verblendeten Kollegen akzeptieren soll.
Es gibt kein freies Theater in Wien. So viel ich weiß, hat es auch nie eines gegeben, zumindest nicht auf professioneller Ebene. Bestenfalls kann man Theater in Wien als "abhängig" beschreiben - schlechtestenfalls, als ein vom System der politisch zentralisierten Kunstförderung "versklavtes". Anstatt also in einer "freien Theaterszene", die nicht existiert und vielleicht niemals existierte, zu schwelgen, sollten wir uns besser fragen, ob Freiheit in unserer Arbeit wichtig ist und wenn ja, wie wir uns zur Abwechslung einmal ein bisschen Freiheit verschaffen können.
In der Kunst ist "Kreativität" selbstverständlich. Durch Phantasie, Ausdruck und Experiment erzeugen wir Dinge, die es vorher nicht gegeben hat. Das Problem mit dem kulturpolitisch geladenen Begriff "Innovation" ist, dass er andeutet, dass etwas noch nie getan wurde, obwohl jeder weiß, dass das fast nie der Fall ist. Wenn doch, ist es schwer feststellbar, weil es niemand wirklich weiß. Wenn man ins Theater geht, erwartet man etwas Kreatives zu sehen. Innovation ist dabei nur ein möglicher Bonus, den der Künstler selbst in seiner Arbeit kaum entdecken kann. Die gute Nachricht, die gar keine Nachricht ist, ist dass wir in der Kunst alle kreativ sind. Die schlechte Nachricht, die gar keine Nachricht ist, ist dass theatralische "Innovation" kein Echtheitszertifikat zulässt und daher ein eitles und im Grunde unnötiges Ziel ist.
Unnötig ist es auch, auf die kooperative Natur des Theatermachens hinzuweisen. In einer "freien" Theaterszene wäre es selbstverständlicher als es der Fall ist, miteinander zu kooperieren. In diesem Umfeld der Abhängigkeit, dem wir in Wirklichkeit angehören und immer angehört haben, glauben wir manchmal, sogar die Illusion der politischen Bevorzugung neidisch bewachen zu müssen und vermeiden es daher oft, mit unseren Kollegen zu kooperieren. Egal, ob man schon mit Bevorzugung gesegnet ist oder nicht, man respektiert die Maschinerie welche bestimmt, was auf den österreichischen Bühnen gezeigt werden darf und was nicht - und wenn nur aus dem einen Grund, weil man seine eigene theoretische Qualifikation für ein derartiges Privileg hüten will.
Die Menschen innerhalb einer Gemeinschaft haben ein Recht zu entscheiden, was auf der Bühne zu sehen sein soll, und es gibt gute Gründe, dass Sie dafür auch Verantwortung tragen sollen. Gemeinschaft ist jeder, mit dem wir zusammenleben. Dazu gehört unser Publikum, unsere Nachbarn und, natürlich, wir selbst. Die Zeit ist reif, dass man es der Gemeinschaft überlässt - und es sogar von ihr verlangt - sich um einige ihrer kulturellen Interessen und Bedürfnisse selbst zu kümmern. Das wird jedoch nur geschehen, wenn die Gemeinschaft auf direkter und freiwilliger Basis in die Kunst investieren kann, mit Steuerbegünstigungen und ohne politische Interventionen.
Es ist höchste Zeit, endlich eine wirklich "freie" Theaterszene zu entwickeln, wo sich Vielfalt, Kreativität, Kooperation und Gemeinschaft frei entfalten und wachsen kann.
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updated: 30.01.2004 by andi stern
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