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Österreichs Netzkulturinitiativen sprechen ab sofort mit einer Stimme:
Das konsortium.Netz.kultur ist die lang ersehnte Pressure Group für die
freie Kulturszene im Online-Bereich und soll den Initiativen bei der
Durchsetzung ihrer Forderungen helfen. Wie schwierig das ist, zeigt der
Praxistest: Die Regierungsmitglieder Elisabeth Gehrer, Michael Schmid
und Franz Morak im E-Mail-Vergleich.
Simon Hadler
media observer, orf-"kultur"online 22.5.
Wer ist Netzkultur?
Vernetzung hoch 6 - das Konsortium im Überblick.
Die sechs im konsortium.Netz.kultur vertretenen Server sehen ihre
Aufgabe - wie der Name schon nahelegt - im Vernetzen von Kunst- und
Kulturinitiativen in ganz Österreich. Das bedeutet, Infrastruktur und
Know-How für Interessierte zur Verfügung zu stellen und so für jede
Menge interessanter Websites aus dem Kulturbereich zu sorgen.
Zusätzlich dazu soll durch Mailinglists, Diskussionsforen und eigene
e-zines die Kommunikation im Netz gefördert werden. Ziel ist eine aktive
Online-Community im Kunst- und Kulturbereich, eine Öffentlichkeit
abseits von ORF und Tageszeitungen.
med-user.net, Dornbirn
med-user.net ist derzeit im virtuellen Exil in Graz bei mur.at und
erhält keine Förderungen, weil das Projekt laut Bund "nichts mit Kunst
und Kultur" zu tun habe. Ziel: In einer sonst "gleichgeschaltenen"
(Rainer Roppele, med-user.net) Vorarlberger Medienszene für frischen
Wind zu sorgen.
Projekte/Sites: Sub - das Magazin, Radio Proton.
subnet, Salzburg
subnet ist seit März 1999 online. Peter Riegersperger von subnet: "Eine
durchschnittliche Kulturinitiative spart bei subnet im Vergleich zu
kommerziellen Anbietern 12.000 Schilling pro Monat." Solche
Dumpingpreise sind nur durch ehrenamtliche oder unterbezahlte Arbeit und
durch Förderungen möglich. Diesbezüglich gibt es für das laufende Jahr
noch keine Zusage vom Bund, von der Stadt Salzburg nur nach
Zitterpartie.
Projekte/Sites: misery.subnet.at (WinAmp-Skins); mprox (Browsen als
Kunstgenuss); Kunstfehler (Magazin).
servus.at, Linz
servus.at bietet bereits seit 1996 der oberösterreichischen Kunst- und
Kulturszene ein Plätzchen im Netz und hostet unter anderem den Versorger
und die Stadtwerkstadt Linz, wo man sich über österreichische Netzkultur
schlau machen kann. Gabriele Kepplinger: "Wir haben hier Pionierarbeit
geleistet. Jetzt erwarten wir uns von der Politik, dass sie die
Rahmenbedingungen für freie Meinung und zukunftsorientierte Kunst und
Kultur im Netz garantiert."
Projekte/Sites: freie-medien.at, servus.at/fadi (real audio
Site),efeu.servus.at (Linz beschriften), basicray.org (Internationale
Künstlergruppe), gegenschwarzblau (selbsterklärend).
mur.at, Graz
Kunst- und Kulturinitiativen kümmern sich gemeinsam und dezentral um die
verschiedenen Server von mur.at. Winfried Ritsch: "Es entstehen immer
wieder neue Netzknoten und neue Leute kommen dazu. Bei uns sind die
Initiativen selbst für alles verantwortlich." Einzige Regel: Alle müssen
für Inhalte sorgen, damit die Subventionen argumentierbar bleiben.
Projekte/Sites: Radio Helsinki - (Radio-)aktive Community, crop.mur.at
("a psychonautic experience"), midihy.mur.at ("diskursives Vehikel").
Public Netbase t0, Wien
Public Netbase t0 ist im Gegensatz zu den anderen Servern mittlerweile
auch außerhalb der Netzszene ein Begriff - nicht zuletzt aufgrund der
intensiven Medienpräsenz, weil ihr Mietvertrag im Museumsquartier
ausläuft und nicht mehr verlängert werden soll, was einer Delogierung
gleichkommt. Derzeit läuft ihr ambitioniertestes Projekt, der
Online-Auftritt Brüssels als europäische Kulturstadt 2000 mit der Site
worldinformation.org. Trotzdem schickt das Kunststaatssekretariat die
Wirtschaftsprüfer, laut Franz Morak eine Routineangelegenheit und
überdies vom Medienkunstbeirat empfohlen. Martin Wassermair (Public
Netbase t0): "Diese Vorgangsweise scheint höchst bedenkliche politische
Ziele zu verfolgen."
Projekte/Sites:
virtual.government.austria, fremd.netz (beide regierungskritisch),
Museumsquartier Wien, Depot (Kunst und Diskussion).
PUBLIC VOICE Lab, Wien
PUBLIC VOICE Lab ist ein Internet Service Provider für Kunst und Kultur
und international ausgerichtetes Forschungslabor für neue Medien.
Richtet sein Engagement auf den sozialen Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien. Ermöglicht über 50 Kunst- und
Kulturschaffenden die kreative Nutzung des World Wide Web. Treibt
Medienkonvergenz in Projekten der Europäischen Kommission voran (z.B.:
senioronline.at). Paul Murschetz betont die kommerzielle, aber nicht
profitorientierte Ausrichtung von PUBLIC VOICE Lab.
Projekte/Sites: ORF Kunstradio, IG Kultur, THE THING Vienna
Sechs Stimmen für ein Netz
Seit März gibt es das konsortium.Netz.kultur, das sich nicht nur im
Namen von den klassischen IGs unterscheiden will.
Die zentralen Forderungen des konsortium.Netz.kultur wurden bereits zwei
Jahre vor seiner offiziellen Gründung im sogenannten Gelben Papier
formuliert.
Im Mittelpunkt des realen Wunschzettels für Österreichs virtuelle
Kulturszene steht, so Winfried Ritsch von mur.at, die Implementierung
eines sogenannten "Austrian Cultural Backbone", eines leistungsfähigen
Netzwerks auf Basis des universitären ACOnet und anderer bereits
bestehender Infrastrukturen mit Anschluss an Resteuropa.
Medienkompetenz schaffen
Die Zielsetzungen des Konsortiums gehen über die Vernetzung der freien
Kulturszene Österreichs und der Bereitstellung von Webspace und
Netzzugang für Kulturinitiativen hinaus. Man will einen "freien, offenen
und niedrigschwelligen Zugang zu Forschungs-, Produktions-,
Vermittlungs- und Diskursplattformen" bieten, wie in einem ersten
programmatischen Papier festgehalten wird.
Das heißt, die österreichischen Netz(kultur)knoten wollen als
Schnittstelle einer neuen Öffentlichkeit im Internet agieren. Die muss
zum Teil erst geschaffen werden, indem kulturinteressierten Menschen in
ganz Österreich das nötige Know-How im Umgang mit den neuen
Kommunikationstechnologien vermittelt wird und ihnen in der Folge die
technischen Möglichkeiten in die Hand gegeben werden, selbst für
interessante Inhalte im Netz zu sorgen.
Geld: Wer fordert von wem?
Um diese Ziele umsetzen zu können, braucht es Geld. Geld, das nicht am
freien Markt erwirtschaftet werden kann, wenn, von marktwirtschaftlichen
Kriterien unbeeinflusst, reflektive Inhalte geschaffen werden sollen.
Also Förderungen vom Staat. Um diese in der notwendigen Größenordnung
aber überhaupt mit Aussicht auf Erfolg fordern zu können, müssten
zuständige und kompetente Beamte in Politik und Verwaltung als
Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Als Vertreter der Netzkulturszene wurde je ein Abgesandter folgender
Server gewählt: Public Netbase t0 und Public Voice Lab aus Wien, mur.at
aus Graz, subnet aus Salzburg, servus.at aus Linz und med-user.net aus
Dornbirn.
Milch, Brot und Netzkunst
Schön, wenn nach fünf Jahren E-Austria jeder einen PC mit Netzanschluss
zu Hause stehen hat. Noch schöner, wenn man seine Milch und sein Brot
dann per Online-Einkaufszettel bestellen können wird.
Doch die vom konsortium.Netz.kultur vertretenen Initiativen wollen dafür
sorgen, dass dann abseits von E-Kommerz und privaten Homepages auch
ernstzunehmende Inhalte im österreichischen Teil des Internet zu finden
sein werden. Wenn man sie lässt. Das konsortium.Netz.kultur befürchtet
während dieser Legislaturperiode nämlich eine weitere, beziehungsweise
noch krassere Vernachlässigung der Netzkultur von Seiten der Politik.
Kein Wort zur Internetgeneration
Österreichs Politiker und Netzkultur: Schmid nicht zuständig, Gehrer nur
für Volkskultur, Morak schweigt.
Von Seiten der österreichischen Netzkulturinitiativen wurde kritisiert,
dass sich Österreichs Politiker nicht für Netzkultur interessieren
würden. Peter Wittmann gab noch während seiner Zeit als
Kunststaatssekretär zu: "Im Bereich Informationstechnologie und Kultur
hat sich die Politik große Versäumnisse zuschulden kommen lassen."
Neue Regierung, Zeit für einen Neubeginn? ON KULTUR begab sich auf die
Suche nach kompetenten Interviewpartnern und versuchte es mit
Kunststaatssekretär Franz Morak, Kulturministerin Elisabeth Gehrer und
Infrastrukturminister Michael Schmid.
"E-Austria", "Österreich ans Netz", die "Computermilliarde" - lauten
dieser Tage prominente Schlagworte zukunftsorientierter Politik. In
Sachen Netiquette wäre für die Volksvertreter allerdings
Nachhilfeunterricht angesagt.
Von Elisabeth Gehrer findet sich auf der Ministeriumshomepage ein
Porträt, wo man auch über ihre Vorlieben und Hobbies informiert wird.
Ihre E-Mail-Adresse ist ein besser gehütetes Geheimnis, sie wird
lediglich auf der Website des Parlaments angeführt. Immerhin, denn
Kunststaatssekretär Franz Moraks E-Mail-Adresse muss man telefonisch
erfragen.
Infrastrukturministerium
Einzig Michael Schmid fand innerhalb von drei Tagen Zeit für ein Reply.
Er fühlt sich zwar für Netzkultur im engeren Sinne nicht zuständig, ist
aber der Meinung, dass die rasante und vom Infrastrukturministerium
geförderte Technologieentwicklung eine laufende Senkung der Kosten auch
für Kulturvereine herbeiführen wird, sodass diese ihre "für die
Öffentlichkeit zweifelsohne wertvollen Aktivitäten" äußerst
kostengünstig durchführen werden können.
Kulturministerium
Im Kulturministerium wurde - nach sechs Tagen - Sektionschef Peter
Mahringer mit der Beantwortung von Gehrers Interview-Fragen betraut. Er
führt im Bereich Netzkultur die Aktivitäten des Ministeriums an:
Museum-Online, die Digitalisierung der Österreichischen
Nationalbibliothek und ein geplantes Infonetz für Volkskultur.
Den Bereich der zeitgenössischen Kunst sieht Mahringer durch die
Online-Projekte des Museums moderner Kunst - Stiftung Ludwig (MMKSL) und
über den Österreichischen Kulturservice abgedeckt.
Und was schließlich "den Stellenwert der Kultur im Bereich der
Verteilung der Mittel innerhalb der Technologiemilliarde betrifft bzw.
die Kulturschaffenden, so ist dafür in erster Linie die Kunstsektion des
BKA zuständig". Das Regierungsprogramm sehe im Bereich des
Kulturministeriums lediglich die Investition einer "Computermilliarde"
im Schulbereich vor.
Kunststaatssekretariat
Bleibt die Frage nach Förderungen abseits renommierter Institutionen,
wie eben der vom konsortium.Netz.kultur vertretenen Initiativen. Ob sich
das Kunststaatssekretariat zuständig fühlt und welchen Stellenwert die
Netzkultur in seinen Agenden hat, konnte nicht herausgefunden werden.
Statt einem Antwort-Mail vom Kunststaatssekretär meldete sich eine
Mitarbeiterin telefonisch, um ausrichten zu lassen: "Alles, was Franz
Morak zu diesem Thema zu sagen hat, können Sie ohnehin der APA (Austria
Presse Agentur, Anm.) entnehmen".
Viel scheint er ja nicht zu sagen zu haben, wenn man die Archive der APA
dieses Jahres durchforstet. Ein kurzer Absatz über die geplante
Ablieferungspflicht für Online-Produkte, eine reflexartige Antwort auf
den Vorwurf von Seiten Public Netbase t0, er, Morak, hetze dem
Kulturserver Wirtschaftsprüfer an den Hals.
An anderer Stelle erfährt man, dass "mit dem neuen Medium Internet auf
die Politik in Östereich eine völlig neue Herausforderung zukommt". Dass
es ein "gewaltiges kreatives Potential" gäbe, "bei dem wir Player werden
sollten". Österreich habe bisher oft eine "autistische Kulturpolitik"
betrieben. "'Mit dem Internet kommt dies nun zu einem Ende', freute sich
Morak."
Hier jene per E-Mail gestellten Fragen, die Kunststaatssekretär Franz
Morak nicht beantworten wollte:
ON Kultur: Ihr Vorgänger, Staatssekretär Wittmann, bezeichnete als eines
der großen kulturpolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre die
Vernachlässigung des Bereichs Netzkultur.(Format, 17.01.2000).
1.) Geben sie ihm Recht?
2.) Falls ja, was wird sich unter dem Kunststaatssekretär Morak daran
ändern?
Morak: -
ON Kultur: Das konsortium.Netz.kultur fordert von Ihnen ein, sich für
die Künstler und ihre Interessen in Bezug auf das Internet auch bei
Bundesminister Schmid einzusetzen, weil der für die Bereitstellung von
technischer Infrastruktur zuständig sei. Ist in dieser Richtung etwas
geplant?
Morak: -
ON Kultur: Österreich nimmt mit der Initiative "e-Austria" am
europäischen Programm "e-Europe" teil, in dessen Programm die Förderung
von "Kunst und Medien" im Internet einen zentralen Punkt darstellt. Was
plant das Kunststaatssekretariat, um diesen Punkt umzusetzen?
Morak: -
ON Kultur: Setzen Sie sich als "politische Stimme der Kunst" für den
Fluss von Geldern der Technologiemilliarde in Richtung Kunst ein?
Morak: -
ON Kultur: Frau Bundesminister Gehrer präzisierte im Kurier-Interview
(15.04.2000) ihr Interesse an Netzkultur: "Aufbau eines Infonetzes für
Volkskultur in Österreich, samt Digitalisierung historischer
Volksliedarchive".
1.) Können Sie sich als Kunststaatssekretär mit dieser Aussage
identifizieren?
2.) Läge auch die vermehrte Förderung zeitgenössicher Kunst in Ihrem
Interesse?
Morak: -
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updated: 04.06.2000 by werner
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