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Interview mit Rudolf Burger über die Aufgaben der Kulturpolitik, über die Widerstands-Debatte und über seine Rolle als "Provokateur". Im Gespräch mit Roland Schöny.
"ORF Kultur"-online, 16.12.2000
So wendete er sich 1992 beispielsweise gegen die "Kriegsgeilheit" Österreichs im Balkankonflikt und er bezeichnete Österreich als erstes Opferland der Nationalsozialisten, womit er heftige Reaktionen auslöste.
Burger nimmt aber auch immer wieder kritisch Stellung zur österreichischen Kulturpolitik, wie etwa in seine Essaybänden wie "Vermessungen" oder "Abstriche"
ON-Kultur: Herr Burger, sind Sie ein politischer Provokateur, ein Kulturphilosoph oder ein Kulturkritiker?
Rudolf Burger: Ich habe mich immer gewehrt, mich zu definieren. Ich sehe mich aber nicht als Provokateur, dessen Intention die Provokation ist. Ich versuche mir immer selber über die Schulter zu schauen und mir über die jeweilige Lage klar zu werden. Und hin und wieder habe ich in öffentlichen Debatten interveniert. So lakonisch sehe ich das.
ON-Kultur: Tatsache ist, dass Sie in den letzten Jahren mit sehr pointierten Aussagen aufgetreten sind. So haben Sie gesagt, das 6-Tage-Spiel von Hermann Nitsch sei nichts anderes als ein ausgeflippter Heuriger.
Rudolf Burger: Ich versuche, besonders in erregten Zuständen der Öffentlichkeit, mit Überlegungen zu intervenieren, die mir richtig erscheinen. Wahrheit hat einen Zeitkern. Eine Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt hat eine ganz bestimmte Bedeutung, eine ganz bestimmte Richtung. Die gleiche Aussage zu einem anderen Zeitpunkt kann die konträre Bedeutung haben. Die Aussage zu Nitsch war ein Versuch der
Abkühlung, da auf beiden Seiten große Aufregung bestand.
ON-Kultur: Als Sie noch Rektor an der Angewandten waren, sagten Sie die moderne Kunst "verdünnisiere" sich immer mehr im Diskurs. Das hat manche Künstler empört und alles andere als zur Abkühlung beigetragen.
Rudolf Burger: Diese Aussage war keine öffentliche Intervention, sondern ein Vortrag auf einem Kongress. Der Kern der These war, dass die moderne bildende Kunst im Laufe ihrer Entwicklung in dem Maße, in dem sie reflexiv wird und die erzählenden Elemente vertreibt, paradoxerweise nur mehr von ihrer eigenen Theorie getragen wird, also in einem Meer von Wörtern schwimmt, in dem Maße als sie die Wörter aus sich selbst
heraustreibt.
Auf diese Paradoxie habe ich aufmerksam gemacht, natürlich auch mit sarkastischen Bemerkungen, dass wir heute eine Theorieproduktion im Kunstdiskurs haben, ohne dass jemand sagt, Theorie von was. Hegel hat
einmal gesagt, die Aufgabe der Philosophie ist es, wirklich zu erkennen, was in Wahrheit ist.
ON-Kultur: Kunststaatssekretär Franz Morak vertritt indirekt die Position, dass der Künstler selbst mehr gefördert werden soll, aber nicht die Institutionen, es soll also weniger Wert auf die Vermittlung gelegt werden.
Rudolf Burger: Wenn er das gesagt hat, hat er meiner Meinung nach Recht. Auf einen Künstler kommen heute wahrscheinlich 10 Vermittler. Die Pädagogisierung der Öffentlichkeit ist nicht gerade das, was ich als das Zentrum der Kunstpolitik mir wünschen würde.
ON-Kultur: Wie sehen Sie heute die Widerstands-Debatte gegen die derzeitige Regierung. Sie haben einmal gesagt, Widerstand sei so etwas wie ein Karneval.
Rudolf Burger: Das Wort Karneval in diesem Zusammenhang stammt nicht von mir, sondern von den Widerständlern selbst. Die große Opernball-Demonstration 2000 stand unter der Devise "Antifaschistischer
Karneval". Die Debatte hat sich eigentlich wenig entspannt. Ich finde das Widerstandsgeschrei vollkommen aus den Proportionen geraten.
Das sind alles Indikatoren für ein Bewusstsein einer ranzig gewordenen Linken, welche zu ungeheuer pathetischen Formeln und Symbolen greift, als ob es um Kopf und Kragen ginge. Man schlüpft hier in eine heroische Widerstandsrolle hinein, obwohl für einen selber nichts auf dem Spiel steht. Vor allem rechtfertigt die politische und soziale Situation - die einem aus verschiedenen Gründen nicht passen mag - dieses Pathos in keiner Weise.
ON-Kultur: Wie schätzen Sie die aktuelle Kulturpolitik in Österreich ein?
Rudolf Burger: Ich denke, dass es im wohlverstanden Interesse von Künstlern und der Kunst liegt, wenn man eine sehr liberale Position einnimmt. Wenn die Politik keine bestimmte Richtungen vorgibt. Ich wünsche mir - unabhängig von aktuellen Situation - keine staatlich formulierte Kunstpolitik.
Vergessen Sie eines nicht, die großen westlichen, klassischen Demokratien haben keine Kulturpolitik, weder die Briten noch die Amerikaner. Jene Staaten, die wirklich eine Kulturpolitik hatten, das waren der Stalinismus und die europäischen Faschisten. Ich wünsche mir von einem liberal-demokratischen Gemeinwesen eine Förderung von Künsten, die sich am Markt nicht durchsetzen können. Aber das ist es auch. Der Rest ist Angelegenheit der Künstler, der Intellektuellen selber, aber nicht der Ministerialbürokratie.
Link:
http://www.sos-mitmensch.at/schwerpunkte/kkr_k_bur...
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updated: 16.12.2000 by werner
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